Die Entdeckung lässt sich nicht mit klassischen Annahmen erklären.
Ein internationales Team von Astrophysikern hat bei der Analyse einiger Sternhaufen eine rätselhafte Entdeckung gemacht. Diese Entdeckung widerspricht Newtons Gravitationsgesetzen, schreiben die Forscher in ihrer Publikation. Stattdessen stimmen die Beobachtungen mit Vorhersagen einer alternativen Gravitationstheorie überein. Dies ist jedoch unter Experten umstritten. Die Ergebnisse wurden nun in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht. An der Studie war die Universität Bonn maßgeblich beteiligt.
In ihrer Arbeit untersuchten die Forscher sogenannte offene Sternhaufen, nicht verbundene Gruppen von einigen Dutzend bis einigen Hundert Sternen, die in spiralförmigen und unregelmäßigen Galaxien zu finden sind. Offene Sternhaufen entstehen, wenn Tausende von Sternen innerhalb kurzer Zeit in einer massiven Gaswolke geboren werden. Wenn es „zündet“, blasen Neuankömmlinge aus der Galaxie die Überreste einer Gaswolke ab. Dabei dehnt sich die Masse deutlich aus. Dadurch entsteht eine lockere Formation von mehreren zehn bis mehreren tausend Sternen. Die Masse wird durch die schwachen Gravitationskräfte zusammengehalten, die untereinander wirken.
„Offene Sternhaufen leben meist nur wenige hundert Millionen Jahre, bevor sie schmelzen“, erklärt Professor Dr. Pavel Krupa vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn. Dabei gehen regelmäßig die Sterne verloren, die sich in den sogenannten „Gezeitenschweifen“ ansammeln. Einer dieser Schwänze wird hinter den Block gezogen, während er durch den Raum reist. Der andere wiederum übernimmt wie eine Speerspitze die Führung.
„Welcher Schweif in dem fehlenden Stern landet, ist nach den Newtonschen Gravitationsgesetzen dem Zufall überlassen“, erklärt Dr. Jan Pvalam-Altenberg vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik. „Also sollten beide Enden ungefähr gleich viele Sterne enthalten. In unserer Arbeit konnten wir jedoch erstmals nachweisen, dass dies nicht stimmt: Bei den von uns untersuchten Gruppen enthält der vordere Schweif immer mehr Sterne in der Nähe der Masse als der hintere Schwanz „.
Eine neue Methode zur Berechnung von Sternen wurde entwickelt
Unter den Millionen massenahen Sternen war es bisher fast unmöglich festzustellen, welche zu ihren Schweifen gehören. „Dazu muss man die Bewegungsgeschwindigkeit und -richtung sowie das Alter jedes dieser Objekte betrachten“, erklärt Dr. Teresa Yarabkova. Die Forschungs-Co-Autorin, die in der Kroupa-Gruppe promoviert hat, ist kürzlich von dort weggezogen Europäische Weltraumorganisation (ESA) für die Europäische Südsternwarte in Garching. Sie entwickelte eine Methode, mit der sie erstmals die Sterne in ihren Schweifen genau zählen konnte. „Bisher wurden fünf offene Sternhaufen in unserer Nähe untersucht, davon vier von uns“, sagt sie. „Als wir alle Daten analysierten, stießen wir auf den Widerspruch zur aktuellen Theorie. Die hochgenauen Umfragedaten aus Die Gaia-Mission der Europäischen Weltraumorganisation dafür unabdingbar.“
Im Gegensatz dazu passen Beobachtungsdaten kurz besser zur Theorie MOND („Modified Newtonian Dynamics“) unter Experten. „Einfach ausgedrückt können Stars laut MOND eine Gruppe durch zwei verschiedene Türen verlassen“, erklärt Kroupa. „Einer führt zum Gezeitenschweif nach hinten, der andere nach vorne. Der erste ist jedoch viel schmaler als der zweite – daher ist es unwahrscheinlich, dass der Stern Masse durch ihn hindurch lässt. Andererseits sagt Newtons Gravitationstheorie beides voraus Türen sollten gleich breit sein“.
Sternhaufen sind kürzerlebig als die Newtonschen Gesetze vorhersagen
Das Team von Astrophysikern hat die erwartete Sternverteilung nach MOND berechnet. „Die Ergebnisse stimmen erstaunlich gut mit den Beobachtungen überein“, betont Dr. Ingo Thies, der maßgeblich an den entsprechenden Simulationen beteiligt war. Allerdings mussten wir dafür auf relativ einfache Rechenmethoden zurückgreifen. Uns fehlen derzeit die mathematischen Werkzeuge, um detailliertere Analysen der modifizierten Newtonschen Dynamik durchzuführen.“ Die Simulationen deckten sich andererseits aber auch mit Beobachtungen: Sie sagten voraus, wie lange normalerweise offene Sternhaufen bestehen bleiben sollten – dieser Zeitraum ist viel kürzer als erwartet zu „Dies erklärt ein seit langem bekanntes Rätsel“, bemerkt Kroupa. „Insbesondere Sternhaufen in nahen Galaxien scheinen schneller zu verschwinden, als sie sollten.“
Allerdings ist die MOND-Theorie unter Experten nicht unumstritten. Da Newtons Gravitationsgesetze unter bestimmten Bedingungen nicht gelten würden, sondern modifiziert werden müssten, hätte dies weitreichende Konsequenzen auch für andere Bereiche der Physik. „Andererseits löst es viele der Probleme, vor denen die Kosmologie heute steht“, erklärt Kroupa, der auch Mitglied der Interdisziplinären Forschungsbereiche Modellierung und Materie an der Universität Bonn ist. Astrophysiker erforschen jetzt neue mathematische Methoden für genauere Simulationen. Sie können dann verwendet werden, um weitere Beweise dafür zu finden, ob das MOND-Theorem wahr ist oder nicht.
Referenz: „Asymmetric Tidal Tails of Open Star Clusters: Stars Crossing their Brah Cluster Defy Newtonian Gravity“ von Pavel Karpa, Teresa Yarabkova, Ingo Theis, Jan Pvalam-Altenberg, Benoit Famy, Henry MJ Boffin, Jörg Dabringhausen, Giacomo Beccari, Timo Beccari , Christian Boyle, Hossein Hajji, Zuven Wu, Jaroslav Hass, Akram Hosni Zunuzzi, Guillaume Thomas, Ladislav Uber und J Arsith Botschafter, 26. Oktober 2022, Monatliche Mitteilungen der Royal Astronomical Society.
DOI: 10.1093/mnras/stac2563
An der Studie beteiligt waren neben der Universität Bonn die Karls-Universität Prag, die Europäische Südsternwarte ([{“ attribute=““>ESO) in Garching, the Observatoire astronomique de Strasbourg, the European Space Research and Technology Centre (ESA ESTEC) in Nordwijk, the Institute for Advanced Studies in Basic Sciences (IASBS) in Zanjan (Iran), the University of Science and Technology of China, the Universidad de La Laguna in Tenerife, and the University of Cambridge.
The study was funded by the Scholarship Program of the Czech Republic, the German Academic Exchange Service (DAAD), the French funding organization Agence nationale de la recherche (ANR), and the European Research Council ERC.