Die von den Universitäten Bonn und St. Andrews durchgeführte Studie legt eine mögliche neue Erklärung für den Hubble-Jitter nahe.
Das Universum dehnt sich aus. Wie schnell das ist, wird durch die sogenannte Hubble-Lameter-Konstante beschrieben. Doch über die wahre Größe dieser Konstante herrscht Uneinigkeit: Verschiedene Messmethoden liefern widersprüchliche Werte. Diese sogenannte „Hubble-Spannung“ stellt Kosmologen vor ein Rätsel. Jetzt schlagen Forscher der Universitäten Bonn und St. Andrews eine neue Lösung vor: Mithilfe einer alternativen Gravitationstheorie lässt sich die Diskrepanz in den Messwerten leicht erklären – der Hubble-Jitter verschwindet. Die Studie wurde jetzt veröffentlicht Monatliche Mitteilungen der Royal Astronomical Society (MNRAS).
Die Expansion des Universums verstehen
Die Expansion des Universums führt dazu, dass sich Galaxien voneinander entfernen. Die Geschwindigkeit, mit der sie dies tun, ist proportional zum Abstand zwischen ihnen. Wenn beispielsweise Galaxie A doppelt so weit von der Erde entfernt ist wie Galaxie B, dann nimmt auch ihre Entfernung von uns doppelt so schnell zu. Der amerikanische Astronom Edwin Hubble war einer der ersten, der diesen Zusammenhang erkannte.
Um zu berechnen, wie schnell sich zwei Galaxien voneinander entfernen, muss man wissen, wie weit sie voneinander entfernt sind. Allerdings ist hierfür auch eine Konstante erforderlich, mit der dieser Abstand multipliziert werden muss. Dabei handelt es sich um die sogenannte Hubble-Lameter-Konstante, die einen fundamentalen Parameter der Kosmologie darstellt. Sein Wert kann beispielsweise durch die Betrachtung sehr weit entfernter Regionen des Universums ermittelt werden. Dies ergibt eine Geschwindigkeit von etwa 244.000 Stundenkilometern Megaparsec Entfernung (ein Megaparsec entspricht etwas mehr als drei Millionen Lichtjahren).
Inkonsistenz bei den Messungen
„Man kann aber auch Himmelsobjekte betrachten, die viel näher bei uns sind – sogenannte Supernovae der Klasse 1A, bei denen es sich um eine besondere Art explodierender Sterne handelt“, erklärt Professor Dr. Pavel Krupa vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Helmholtz-Universität Universität. Universität Bonn. Es ist möglich, die Entfernung der Supernova 1a zur Erde sehr genau zu bestimmen. Wir wissen auch, dass helle Objekte ihre Farbe ändern, wenn sie sich von uns entfernen, und je schneller sie sich bewegen, desto stärker ist die Veränderung. Dies ähnelt einem Krankenwagen, dessen Sirenen umso tiefer ertönen, je weiter sie sich von uns entfernen.
Wenn wir nun aus ihrer Farbverschiebung die Geschwindigkeit der Supernova 1a berechnen und diese auf ihre Entfernung beziehen, kommen wir auf einen anderen Wert für die Hubble-Lameter-Konstante – knapp 264.000 Kilometer pro Stunde pro Million Parsec Entfernung. „Das Universum scheint sich in unserer unmittelbaren Umgebung – einer Entfernung von etwa drei Milliarden Lichtjahren – schneller auszudehnen als in seiner Gesamtheit“, sagt Krupa. „Und das sollte eigentlich nicht der Fall sein.“
Allerdings ist kürzlich eine Beobachtung aufgetaucht, die dies erklären könnte. Demnach befindet sich die Erde in einem Bereich des Weltraums, in dem es relativ wenig Materie gibt, der einer Luftblase in einem Kuchen gleicht. Um die Blase herum ist die Materiedichte höher. Aus diesem umgebenden Material entstehen Gravitationskräfte, die die Galaxien in der Blase zu den Rändern des Hohlraums ziehen. „Deshalb entfernen sie sich schneller von uns als eigentlich erwartet“, erklärt Dr. Indranil Banik von der University of St Andrews. Die Anomalien können daher einfach durch einen lokalen „Dichteabfall“ erklärt werden.
Tatsächlich hat eine andere Forschungsgruppe kürzlich die Durchschnittsgeschwindigkeit einer großen Anzahl von Galaxien in einer Entfernung von 600 Millionen Lichtjahren gemessen. „Es wurde festgestellt, dass sich diese Galaxien viermal schneller von uns entfernen, als das Standardmodell der Kosmologie zulässt“, erklärt Sergey Mazurenko von Krupas Forschungsgruppe, der an der aktuellen Studie beteiligt war.
Blase im Teig des Universums
Dies liegt daran, dass das Standardmodell keine so geringen Dichten oder „Blasen“ aufweist – sie sollten eigentlich nicht vorhanden sein. Stattdessen sollte das Material gleichmäßig im Raum verteilt sein. Wenn dies jedoch der Fall wäre, wäre es schwierig, die Kräfte zu erklären, die Galaxien auf ihre hohe Geschwindigkeit bringen.
„Das Standardmodell basiert auf Albert Einsteins Theorie der Natur der Schwerkraft“, sagt Krupa. „Allerdings könnten sich die Gravitationskräfte anders verhalten, als Einstein vorhergesagt hat.“ Arbeitsgruppen der Universitäten Bonn und St. Andrews nutzten eine modifizierte Schwerkrafttheorie in einer Computersimulation. Diese „Modifizierte Newtonsche Dynamik“ (Abkürzung: MOND) wurde vor vier Jahrzehnten vom israelischen Physiker Professor Dr. Mordehai Milgrom vorgeschlagen. Sie gilt bis heute als externe Theorie. „In unseren Berechnungen sagt MOND die Existenz solcher Blasen genau voraus“, sagt Krupa.
Würde man annehmen, dass sich die Schwerkraft tatsächlich nach Milgroms Annahmen verhält, würde die Hubble-Spannung verschwinden: Es gäbe tatsächlich nur eine Konstante für die Expansion des Universums, und die beobachteten Abweichungen wären auf unregelmäßige Materieverteilung zurückzuführen.
Referenz: „Gleichzeitige Auflösung des Hubble-Tensors und des beobachteten Massenflusses über 250 Stunden −1 Megaparsec“ von Sergey Mazurenko, Indranil Banik, Pavel Krupa und Moritz Hasselbauer, 02. November 2023, Monatliche Mitteilungen der Royal Astronomical Society.
doi: 10.1093/manras/stad3357
An der Studie beteiligten sich neben der Universität Bonn auch die University of St. Andrews (Schottland) und die Karls-Universität in Prag (Tschechische Republik). Die Arbeit wurde vom UK Science and Technology Facilities Council finanziert.
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